Tag 1, Montag: 22.09.24
Pizzeria
Abends: Kennenlernen / Treffpunkt 19:30 Uhr, Via Antoniotto Usodimare, 46
Unsere Gruppe, bestehend aus Ewa Kemble aus Österreich, acht Teilnehmenden aus Kolumbien, zwei Personen aus Spanien, Andrea Messori, einem der Pionierinnen der Gardeniser-Projekte, und Mattia Modesti, der sich seit 2022 aktiv engagiert, unseren zwei freundlichen, engagierten Tutorinnen/Reisebegleiterinnen mit vier unterstützenden Kolleginnen sowie mir selbst, traf sich erstmals in einer Pizzeria im Stadtteil Garbatella. Vorab hatte ich die Gelegenheit, meine Kollegin Ewa kennenzulernen, die ebenfalls aus Wien angereist war. Wir machten einen Spaziergang durch das Zentrum Roms mit einem Mittagessen in einer kleinen Trattoria.
Ein gelungener Auftakt!
Tag 2, Dienstag: 23.09.24
Städtisches Gartenbauamt
Vormittag: Erstes Treffen mit lokalen öffentlichen Vertreter*innen / Treffpunkt 08:00 Uhr
Ausgestattet mit einem Kameramann, einer Übersetzerin und einer weiteren Dokumentarfilmerin fahren wir in einem gemeinsamen Bus zu einem sauberen und gepflegten Stadtgarten, der nicht öffentlich zugänglich ist. Wir finden hier nicht die Gemüsegärten, die wir erwartet hatten. Nein.
Im Büro werden wir von Sabrina Alfonsi begrüßt, Stadträtin für Landwirtschaft, Umwelt und Abfallwirtschaft von Roma Capitale.
Dank des langjährigen Engagements von Andrea Messori und anderen aktiven Mitgliedern des Gardeniser-Vereins gibt es eine aktive Zusammenarbeit zwischen den urbanen Gärten und dem Ministerium in Rom. Sie nimmt sich viel Zeit für den Austausch und die Beantwortung von Fragen, insbesondere aus der kolumbianischen Community. Die kolumbianische Initiative EuropeAid GenerACTOR und Generactor Huertas Communitarias wurde 2022 ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit dem GenerACTOR-Projekt – Gemeinschaftsgärten für gute Regierungsführung, aktive Bürgerschaft und Teilhabe. Ein Projekt, das von der Europäischen Kommission gefördert wird.
ORTI URBANI GARBATELLA Municipio XIII
Anschließend besuchen wir die außergewöhnlich große Freifläche im Viertel Garbatella. Diese Freifläche wird von den benachbarten Bewohner*innen der Gemeindebauten (die es in dieser Form nur hier in Rom gibt) genutzt, um Gemüse, Obstbäume und Heilkräuter anzubauen sowie für Freizeitaktivitäten. Ihre Nutzung musste jedoch erkämpft werden. In der Vergangenheit waren dies Parkplätze und es war geplant, dort die größte Autobahn Roms zu bauen.
Wir begutachten auch die Bienenstöcke vor Ort. Leider hat sich auch in Italien eine invasive asiatische Bienenart angesiedelt. Diese stellt eine Bedrohung für die europäische Bienenpopulation dar. Sie ernährt sich proteinreich von Honigbienen, die sich infolgedessen nicht mehr aus ihren Stöcken wagen und verhungern.
Diese Grünflächen – wie fast alle anderen in Rom bereitgestellten Freiflächen – befinden sich im Besitz der Stadt, und die Anwohnenden müssen keine zusätzlichen Gebühren für deren Nutzung zahlen.
ORTI URBANI VALLE DEI CASALI MunicipioXI
Wieder im gemieteten Kleinbus – Rom ist zu groß, um alles rechtzeitig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen – fahren wir in das weitläufige 11. Municipio (so werden die Stadtviertel in Rom genannt). Dort erwarten uns zwei Führungen, da sich über die Jahre zwei Gruppen etabliert haben, die den Garten getrennt organisieren (das Gebiet wurde halbiert). Hier fällt mir zum ersten Mal der benachbarte Bambusanbau (eine spezielle Sorte) auf, den ich anschließend in fast jedem Garten wiederentdecke. Die geernteten Bambusstäbe dienen als Stützen für den Gemüseanbau. Beide Gärten bestehen jeweils aus 60 Parzellen mit gemeinschaftlicher Außenküche und Geräteschuppen, einem Versuchsglashaus und weiteren gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen. Für jede Gartenparzelle werden 100 € gezahlt, und 20 € für helfende Gäst*innen.
Im Garten 1 werden wir mit dem Projekt zu alten Getreidesorten vertraut gemacht, das sowohl Wissenschaftler*innen als auch Schulen als treibende Kräfte einbindet.
Ein älterer Herr, Franco, erklärt uns anschließend sein Lieblingsprojekt: In ein altes, recyceltes Wasserrohr werden beispielsweise Löcher für Salatpflanzen geschnitten, die mittels eines ausgeklügelten Bewässerungssystems sparsam versorgt werden, um ein effektives Wachstum zu fördern. Danach werden wir mit köstlichem Brot und Getränken verwöhnt.
ORTI SOCIALIARVALIA Municipio XI
Im Garten 2 werden wir vor allem von sehr fröhlichen, freundlichen Senior*innen empfangen. Diese Beobachtung trifft übrigens auf alle von uns besuchten Gärten zu. Es ist für ältere Menschen leichter, sich Zeit für den Gemüseanbau zu nehmen. (Hoffen wir, dass in Zukunft auch berufstätige Menschen, Kinder und Jugendliche Zeit für diese lebenswichtige Tätigkeit finden).
Zunächst werden wir mit Kaffee versorgt. Nachdem uns viele interessante Tipps zum Gemüseanbau direkt in den einzelnen Beeten gezeigt wurden, runden wir den Besuch mit einer Flasche Wein ab. Ein angenehm kommunikativer, gemütlicher und erfrischender Nachmittag.
Tag 3, Mittwoch: 24.09.24
FAO
08:00 Vormittag
Diesmal bringt uns die U-Bahn zur FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen). Es dauert eine Weile, bis alle unsere Pässe kontrolliert, unsere Taschen durchsucht und wir schließlich zur großartigen Führung durch die Organisation gelangen. Nun wissen wir, dass die FAO von David Lubin aus Polen gegründet wurde, geboren 1849, der die Organisation mit seiner umfangreichen Bibliothek (heute die David Lubin Memorial Library) ins Leben rief.
Am Ende befinden wir uns auf einer der schönsten Panoramaterrassen Roms mit ihren zahlreichen Hochbeeten voller Gemüse und Kräuter. Wir treffen außerdem Cecilia Marocchino, Koordinatorin der Urban Food Agenda bei der FAO, mit zehn Jahren Berufserfahrung in der urbanen Forschung und Planung. Sie steht uns für Fragen zur Verfügung.
ORTI URBANI MONTE CIOCCI Municipio XIX
Nachmittag
Hier gibt es feste Öffnungszeiten. Im Gegensatz zu den Gemeinschaftsgärten in Wien sind alle Gärten hier in Rom tatsächlich eingezäunt! Dieser Garten auf dem Hügel (mit wunderbarem Blick auf den Petersdom) liegt außergewöhnlich im Norden Roms; die meisten Gemeinschaftsgärten befinden sich im Süden und Westen der Stadt, da große Teile des Nordens mit Beton versiegelt und zudem generell teurer sind.
Die regulären Öffnungszeiten legen großen Wert auf die soziale Komponente des Gartens. Es gibt regelmäßige wöchentliche und tägliche Treffen von Anwohnenden, z. B. Gruppen von Senior*innen, Kindern sowie weiteren Vereinen und Gruppen, um Gemeinschaft zu erleben und Erfahrungen mit Anbau und Natur im Allgemeinen zu sammeln – etwa mit Bienen, Vögeln, Schmetterlingen, Insekten, Heilkräutern, Obstbäumen…
OUC VIADELLACONSOLATA MunicipioXII
Später am Nachmittag fahren wir mit dem Bus zurück ins Tal und besuchen die Gärten im 12. Bezirk, die von Lorbeerhecken gesäumt sind. Zwei fleißige Gärtner*innen laden uns ein, köstliche Fleischlaibchen im Brot, Bruschetta und römischen Wein im eigens eingerichteten Grillbereich im Freien zu genießen.
Auch hier gibt es zwei Bereiche, einer wird von angestellten Gärtner*innen betreut, der andere ist offener für Experimente.
Tag 4, Donnerstag: 26.09.24
Umweltministerium
Frühmorgens gehen wir zu Fuß zum nahegelegenen Umweltministerium. Giammarco Palmieri, Präsident der städtischen Umweltkommission/Stadtrat und Präsident der Umweltkommission, sowie die beiden Frauen vom Ufficio Orti Urbani di Roma Capitale / dem Amt für urbane Gärten von Roma Capitale – Paola Marzi und Annamaria Appenini – erwarten uns dort. Es findet ein längeres Gespräch statt. Ich erfahre zum Beispiel, dass in Rom viele, sogar die meisten urbanen Gärten zunächst illegal entstehen und dann – nach langen Verhandlungen – in variable Verträge münden, die für beide Seiten zufriedenstellend sind.
OUC PARCO ORT9 Municipio IX
In diesem Bereich erwarten uns ungewöhnlich viele zusätzliche Bauten, die allesamt etwas überraschend wirken.
Eine Dusche und Toilette, hauptsächlich aus Plastik gefertigt. Ein Holzhaus, das als Büro und Küche dient, mit integrierter Videoüberwachung und einem Gerät, mit dem das Bewässerungssystem per App sogar im Urlaub gesteuert werden kann. Das Haus steht auch Studierenden als Arbeitsbüro gegen Gebühr zur Verfügung. Außerdem gibt es kleine „Bubble“-Bungalows für Kinder und Lehrpersonal als Forschungsarbeitsplätze. Ein Prototyp eines Hochbeets, das die Möglichkeit bietet, im Sitzen (z. B. im Rollstuhl) zu gärtnern. Auch hier wurde viel Kunststoffmaterial verwendet. Das gesamte Gelände kann von Externen gemietet werden. Unsere zwei Guides, die hier arbeiten und das Gelände mitverwalten, präsentieren stolz alle Errungenschaften.
O.U.C. Valle dell’Aniene (Rome Municipality IV)
Nachmittag
Dieses Gebiet umfasst nicht nur zwei große Gartenflächen, sondern ist auch ein Naturschutzgebiet, das touristisch genutzt wird, mit einem schönen Steinhaus mit integriertem Büro. Auch hier werden wir von einer freundlichen Mitarbeiterin des Umweltministeriums, die eigens eingeladen wurde, über interessante Fakten informiert.
Im kleineren Teil des Gartens sehe ich zum ersten Mal ein Beet, das mit Stroh und Heu gemulcht ist. Der Betreiber ist deutlich jünger als die anderen und erzählt uns, dass er von diesen für seine Arbeitsweise belächelt wird.
O.U.C Parco di Aguzzano (Rome Municipality IV)
Fast bei Sonnenuntergang erreichen wir einen Garten mit einem besonderen Experiment. Barbara studiert hier gemeinsam mit anderen Interessierten den Japaner Masanobu Fukuoka, der in den 1980er Jahren eine einzigartige Methode der „Nichts-Tun-Landwirtschaft“ entwickelte.
Fukuokas vier Prinzipien: kein Pflügen, kein Düngen, kein Jäten, keine Pestizide. Hier bekommen wir alle ein neues Gartengerät als Andenken geschenkt. Wir sind alle überraschend glücklich. (Wie sehr sich Menschen über Geschenke freuen!) Und zu Hause nehme ich endlich dieses Buch zur Hand (Foto), das wohl seit etwa 30 Jahren auf meinem Bücherregal wartet. Wir beschließen den Tag mit Wein, Brot und Chips.
Tag 5, Freitag: 27.09.24
O.U. adottati coop. Garibaldi (Rome Municipality VIII)
Nun geht es früh morgens mit dem Bus in den 8. Bezirk. Hier ist das Projekt in eine Schule integriert. Ein echtes Flugzeug als Arbeitsmaterial überrascht mich, bevor wir das riesige Gelände erreichen.
In dieser eingetragenen Sozialgenossenschaft ist der Empfang noch herzlicher und liebevoller. Voller Respekt füreinander arbeiten hier autistische Menschen und Sozialarbeiter*innen gemeinsam im Garten, in der Catering-Werkstatt, der Tischlerei, der Bäckerei, dem Restaurant, der Bar und dem Agriturismo (eine neue Idee: Gästezimmer, die es autistischen Menschen ermöglichen, Urlaub zu machen). Das Zentrum bietet einen sicheren, heilenden Raum für benachteiligte Mitglieder der Gesellschaft zur sozialen Rehabilitation.
Uns wird ein ausgezeichnetes Vier-Gänge-Menü aus dem Restaurant serviert. Als Dankeschön gibt es eine kurze Tanzaufführung von zwei Tänzer*innen aus Barranquilla.
O.U.C. della Gru (Rome Municipality VI)
Nachmittag
Nach einer sehr langen Fahrt im Minibus durch die Weinberge Roms erreichen wir den kleinsten Garten, dem wir begegnen.
Hier wurde versucht, mit benachbarten Schulen und Kindergärten zusammenzuarbeiten. Die Kinder im Alter von 3 bis 7 Jahren halfen bei der Gartenarbeit und bemalten auch diesen schönen Gartenzaun aus recycelten Paletten. Doch das ist nicht ohne Herausforderungen. Derzeit kommen sie nur noch zu Besuch, um das reife Gemüse zu ernten, das dann gemeinsam in der Schulküche gekocht und gegessen wird.
O.U.C.Tor Sapienza (Rome Municipality V)
Hier wird seit 2012 gearbeitet. Auch die benachbarten Anwohnenden profitieren davon. Der Fokus liegt nicht nur auf Schulen, die hier die Möglichkeit haben, Gemüse und Heilkräuter anzubauen.
Auch sozial benachteiligte Menschen, wie Migrantinnen, Arbeitslose, Alkoholabhängige, Seniorinnen und viele mehr finden hier Unterstützung. Der stark frequentierte, schöne Nachbarschaftspark mit Freizeitanlagen lenkt die Aufmerksamkeit anderer Bevölkerungsschichten auf dieses Projekt.
Tag 6, Samstag: 28.09.24
Stadtbesichtigung
Heute haben wir die Gelegenheit, als Gruppe die touristischen Sehenswürdigkeiten Roms zu besichtigen, beginnend mit traditionellem römischem Essen im überfüllten Stadtzentrum.
Abend:
Zum Abschluss des Projekts sind wir nochmals ins Orto 9 zum ORTOBEER FEST eingeladen. Größere, öffentlich zugängliche Veranstaltungen finden hier häufig statt (der Ort kann z. B. auch für Geburtstagsfeiern gemietet werden). Für einen Unkostenbeitrag gibt es köstliches Essen und Getränke. Es treten Bands und DJs auf, es gibt eine Tanzfläche.
Einige Gartenmitglieder haben eigenes Essen mitgebracht, um auch ohne Konsum an der Feier teilnehmen zu können.
Tag 7, Sonntag: 29.09.24
Abschluss
Zum Abschied vom Projekt, von Rom, von Ewa (meine „Stütze“ bei Sprachbarrieren und überhaupt) machen wir – nach unserem einzigen Museumsbesuch (das MAXXI – Museo nazionale delle arti del XXI secolo, das Gebäude wurde von der Architektin Zaha Hadid entworfen) – einen gemeinsamen Spaziergang entlang der Tiber-Promenade bei herrlichem Wetter. Der Tiber mit seinen Fußwegen wird aktuell ausgebaut und soll künftig ein wichtiger Bestandteil des Radwegenetzes im römischen Stadtzentrum werden.